Aufgabenstellung:
Die Aufputz verlegten Leitungen sollen Unterputz verlegt werden (Bild 1). Die Ausführung wurde durch eine Elektrofachfirma nach Bild 2 ausgeführt. Die in Bild 4 dargestellte Ausführung wäre nach meiner Ansicht richtig.
Ist die Art der Ausführung nach Bild 2 zulässig ja oder nein?
Antwort auf diese Frage:
Diese Praxisanfrage beschreibt eine sehr häufig in der Praxis vorkommende Situation, bei der eine Analyse der normativen und fachlichen Anforderungen notwendig wird.
Die im Bild 1 aufgeführte Situation beschreibt den Zustand vor der Unterputzverlegung der informationstechnischen Leitungen und den Energieleitungen.
Im Bild 2 wird die Unterputzverlegung der informationstechnischen Leitungen und der Energieleitungen, die durch eine Elektrofachfirma erfolgt ist dargestellt. Diese Art der Umsetzung wird vom Anfragenden hinterfragt und mit der im Bild 4 dargestellt Installationsart verglichen.
Zusätzlich sind im Bild 3 noch einige Lichtbilder eingefügt die den Sachverhalt noch anschaulicher gestalten sollen.
Nun soll im Rahmen diese Antwort auf diese Praxisanfrage aufgezeigt werden wie die hier relevanten normativen Anforderungen umgesetzt werden müssen. Als erstes müssen hier wie schon Anfangs aufgeführt die normativen „Schutzziele“ herausgearbeitet werden.
Erstes Schutzziel ist das es zwischen informationstechnischer Anlage und der elektrischen Niederspannungsanlage zu keinem Spannungsübertritt kommen kann. Dies wird in den relevanten Normen der Gruppe 0800 des VDE Vorschriftenwerkes und natürlich auch in der Normenreihe 0100 des VDE Vorschriftenwerkes beschrieben. Hierzu kann speziell der Abschnitt 528.1 der DIN VDE 0100-520 (2013-06) herangezogen werden
Auszug aus Abschnitt 528.1 der DIN VDE 0100-520 (2013-06)
(Keine Vollständige Wiedergabe des gesamten Abschnittes)
528.1 Nähe zu elektrischen Anlagen
Stromkreise mit Spannungen der Spannungsbereiche I und II nach IEC 60449 (IEC 60449:1973 + A1:1979 ist übernommen in CENELEC HD 193 S2:1982) dürfen nicht in derselben Kabel- und Leitungsanlage verlegt sein, es sei denn, eine der folgenden Maßnahmen wird angewendet:
-
- Jedes Kabel oder jede Leitung ist entsprechend der höchsten vorkommenden Spannung isoliert oder
- Jeder Leiter eines mehradrigen Kabels/einer mehradrigen Leitung ist für die höchste in dem Kabel/der Leitung vorkommende Spannung isoliert oder
- Die Kabel/Leitungen sind entsprechend ihrer Bemessungsspannung isoliert und in getrennten Abschnitten eines geschlossenen oder zu öffnenden Elektroinstallationskanals verlegt oder
- Es werden getrennte Installationsrohrsysteme, zu öffnende Installationskanalsysteme und geschlossene Installationskanalsysteme verwendet.
Um die Anforderungen dieses Abschnittes einzuhalten ist eine der dort beschriebenen Maßnahmen zu realisieren. Dies ist durch eine gemeinsame Verlegung der beiden hier gewählten Leitungssysteme „Starkstromleitungen (230 V) und Telefonleitungen“ gemeinsam in einem Rohr ausdrücklich nicht zu realisieren. Sollte wie vom Anfragenden geschildert eine gemeinsame Verlegung von „Starkstromleitungen (230 V) und Telefonleitungen“ gemeinsam in einem Rohr erfolgt sein, entspricht dies nicht den normativen Anforderungen des Abschnittes 528.1 der DIN VDE 0100-520 (2013-06).
Dies ist zu begründen damit das die Isolationsanforderungen der informationstechnischen Leitungen „Telefonleitungen“ sich nicht auf dem gleichen Niveau befinden wie bei den energietechnischen Kabel und Leitungen. Eine mögliche Alternative wäre allerdings das der Hersteller der informationstechnischen Leitungen eine gleichwertige Prüfung (Spannungsfestigkeit) wie bei den energietechnischen Kabel und Leitungen bescheinigt wie dies z.B. bei den im KNX Bereich verwendeten Leitungstypen der Fall ist.
Allerdings dürfen natürlich in keinem Fall in einer Installationsdose (ohne vom Dosenhersteller eingebrachten internen Abschottungen) beide Spannungsbereiche mit losen Klemmen ausgeführt werden.
Zweites Schutzziel ist es das durch die gemeinsame Verlegung von informationstechnischen Leitungen und den Energieleitungen keine Funktionsstörungen im Bereich der Informationstechnischen Anlage auftreten können.
Dies wird durch die normativen Anforderungen der EN 50174-2 VDE 0800-174-2 (Ausgabe 2011-09) im Abschnitt 6.2.1 beschrieben.
Bei der Anwendung der geringsten Trennklasse „a“ nach Tabelle 4 (Mindestabstände) 300mm Mindestrennabstand und dem Faktor 0,2 für die Bewertung der bis zu drei energietechnischen Leitungen nach Tabelle 5 ergibt sich selbst unter diesen ungünstigsten Bedingungen ein Mindesttrennanforderung von nur 60mm. Dieser dürfte in der Praxis bei Beachtung dieser Anforderungen ohne Probleme zu realisieren sein.
Um nun zur konkreten Beantwortung der Fragestellungen kommen zu können waren diese Ausführungen insoweit notwendig, in dem hiermit die Ableitung der normativen Anforderungen für vergleichbare Konstellationen für den Praktiker ermöglicht wird.
Beantwortung der Fragestellung zu Bild 2:
In der im Bild 2 aufgezeigten Installationsvariante sind nach Ansicht des Unterzeichners dieser Antwort die oben aufgezeigten Sachverhalte bezüglich des ersten und zweiten Schutzzieles nicht eingehalten.
Aus den Bildern (Bild 3) geht nicht eindeutig hervor ob in der dort aufgeführten Abzweigdose
(Einzelbild oben rechts) bei beiden Leitungssysteme Klemmverbindungen eingebracht worden sind.
Sollte dies wie vom Unterzeichner dieser Antwort vermutet der Fall sein, entspricht dies wie schon ausgeführt ebenfalls in dieser Ausführungsvariante nicht den aufgezeigten normativen Vorgaben.
Beantwortung der Fragestellung zu Bild 4:
Diese Art der Ausführung entspricht nach den vorliegenden Informationen (Bildmaterial) des Unterzeichners dieser Antwort den vorab aufgezeigten normativen Anforderungen. Allerdings ist hier noch zu prüfen ob die „Verlege Zonen“ der DIN 18015-3 für elektrischen Leitungen und Kabel eingehalten wurden.
Das etz empfiehlt Ihnen zu diesem Thema folgenden Kurs: Praxisseminar: Zurechtfinden im Normendschungel
Unterzeichner der Antwort:
Frank Ziegler Elektrotechniker –Meister Dozent am Elektro-Technologie- Zentrum (etz) Stuttgart
Öffentliche bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Elektrotechniker Handwerk der HWK Stuttgart.
VDS Sachverständiger für die Prüfung elektrischer Anlagen nach VDS 3602 und VDS Thermografiesachverständiger.
Der Beitrag erschien in der Fachzeitschrift de / pv-praxis.de im Rahmen der Rubrik „Praxisprobleme“